Antony And The Johnsons - I Am A Bird Now



Schrieb ich unlägst zu Kate Bush noch "Wenn es 2005 ein Album gibt, an dem kein Weg vorbei führt, dann ist es 'Aerial'", muss ich diese Aussage nun kleinlaut revidieren. Denn Antony And The Johnsons "I Am A Bird Now" gehört ebenso in jedes gut sortierte CD-Regal.

Die zehn Stücke des in New York lebenden Musikers gehen so zu Herzen, dass dieses beim Anhören von Stücken wie "Hope There's Someone", "You Are My Sister" oder "Spiralling" sogleich zu zerspringen droht. Antonys so außergewöhnlich schöne Stimme mit dem unbeschreiblich warmen Vibrato macht "I Am A Bird Now" zu einem herausragenden Werk, wie es nur selten erscheint. Und es scheint nicht nur mir so zu gehen, treten doch Devendra Banhart, Rufus Wainwright, Lou Reed und Boy George als Gastsänger in Erscheinung. Dabei steht das Songwriting dem Gesang in nichts nach. Zumeist mit Klavier und Streichern instrumentiert, bleiben The Johnsons doch zaghaft im Hintergrund und geben der Stimme Antonys den gebührenden Raum zur Entfaltung. Einziger klitzekleiner Kritikpunkt: Mit 35 Minuten ist "I Am A Bird Now" schlichtweg zu kurz geraten.

Ein Meisterwerk.


Kad Achouri - Société



Es ist wieder einer dieser Tage, die so grau, kalt und regnerisch sind, dass man wie gelähmt lang ausgestreckt mit Kopfhörern auf dem Wohnzimmer-Fußboden liegt, an die Decke starrt und zur Musik seine eigenen Filme darauf ablaufen lässt. Die zweite Veröffentlichung des in algerisch-spanisch-stämmigen Wahllondoners Kad Achouri nach dem 2002 erschienen Debüt "Liberté" eignet sich unter anderem genau für diese Tage hervorragend.

Das liegt zum einen sicherlich an der stilistischen Vielfalt des Mittdreißigers, die von frankophilem Pop bis hin zu Chanson, Jazz und Latin reicht. Andererseits ist es dieses wärmende Gefühl in der Stimme des im Südwesten Frankreichs aufgewachsenen Kads. Herausragend dabei nicht nur seine Nirvana-Interpretation von "Come As You Are" im Bossa-Gewand oder Cole Porters "I Love Paris", auch die restlichen der insgesamt 14 Stücke wissen zumeist schnell zu überzeugen und sich im Ohr festzusetzen. Eine gewisse Nähe zu Manu Chao ist ihm dabei nicht immer zur Gänze abzusprechen - aber was soll's!?

Nach drei Durchläufen von "Société" ist das Parkett noch immer nicht zu hart geworden. Die Fußbodenheizung beamt einen mittels Kad an die sommerliche Atlantikküste. Draußen regnet es noch immer. Egal, heute jedenfalls.


Kate Bush - Aerial



Sie als "Mutter von Tori Amos, Heather Nova & Co." zu bezeichnen, geht vielleicht ein bisschen zu weit - dass Kate Bush aber von etlichen Künstlerinnen und Künstlern als Inspirationsquelle genannt wird, ist unbestritten und sehr nachvollziehbar.

Zwölf Jahre nach "The Red Shoes" ist sie nun also plötzlich wieder da. Mit "Aerial", bestückt mit ganzen 16 Songs, aufgeteilt auf zwei - "A Sea Of Honey" und "A Sky Of Honey" benannte - CDs. Und es ist so, als wäre sie nie weg gewesen. So zeitgemäß instrumentiert präsentieren sich die Kompositionen der 47-jährigen Engländerin, die die Hörerinnen und Hörer spätestens nach dem zweiten Durchlauf nachhaltig in ihren Bann ziehenwerden. Wem es nicht so geht, ist taub.

Wenn es 2005 ein Album gibt, an dem kein Weg vorbei führt, dann ist es "Aerial".


The Corrs - Home



"Wir haben es 'Home' genannt, weil das die Wahrheit ist. Das ist der Ort, an dem dies alles entstanden ist." Andrea Corr im August 2005

Und die Heimat, das Zuhause der Corrs ist in Dundalk/Irland. Back to the roots also. Heißt das aber auch weg vom Pop? Die Antwort lautet ja und nein. Ja, weil die Geschwister sich tatsächlich ihrer Wurzeln besinnen, sogar zwei Songs auf Gälisch singen ("Buachaill On Eirne" (Knabe aus Irland) und "Brid Og Ni Mhaille") und verstärkt auf traditionelle irische Instrumente wie Bodhran oder Tin Whistles zurück greift. Dargeboten werden dabei sowohl Traditionals, als auch Stücke neueren Ursprungs ("Old Town" von Phil Lynott / Thin Lizzy). Und andererseits ist es doch noch Pop, da die Volkslieder zumeist einen zeitgemäßen Anstrich im typischen Corrs-Klang-Gewand erhielten. Dies ist verständlich, da sie mit "Home" sicherlich keinen ihrer mit dem in Deutschland zwischenzeitlich auf Platz Zwei der Langspiel-Charts notierten Vorgänger-Album "Borrowed Heaven" hinzugewonnenen Fans wieder verschrecken möchten.

"Home" gefällt mir hervorragend und ist daher ein 1a-Kauftipp. Mehr muss ich dazu gar nicht nicht sagen. Aber Andrea Corr:
"Normalerweise käme den Leuten nie die Idee, dass irische Musik sexy sei. Aber ich finde, sie ist sogar sehr sexy. Sie ist ein bisschen wie jemand in viktorianischer Kleidung, die den Körper von Kopf bis Fuß bedeckt. Das kann viel erotischer sein als jemand, der sich die Kleider vom Leib reißt. Das ist die Art von Sexyness, die irische Musik auszeichnet."


Katie Melua - Piece By Piece



"Obwohl die Leute über das 'schwierige zweite Album' sprechen, habe ich den Druck und das Vergnügen, dieses Album für mich selbst zu machen, genossen. Ich habe mir keine Sorgen darum gemacht, was andere Leute denken könnten." Sagt Katie Melua. Und ergänzt: "Ich bin mit dem Album sehr zufrieden und habe das Gefühl, dass die Leute, die 'Call Off The Search' gekauft haben, nicht enttäuscht sein werden und dass auch andere etwas entdecken werden, das sie mögen." Schauen wir mal: Zum einen soll "Piece By Piece" also alle 1,8 Millionen Käufer des Vorgängers auch für das Zweitwerk der gerade 21-jährigen Georgierin mit mittlerweile englischem Pass begeistern. Zum anderen sollen natürlich weitere Käuferschichten erschlossen werden. Das erste Ziel dürfte "Piece By Piece" durchaus erreichen, die zwölf Stücke gehen ebenso leicht und fluffig ins Ohr wie der Vorgänger. Ausfälle oder Aufreger: Fehlanzeige. Einzige Änderung im Vergleich zu "Call Off The Search": Melua war deutlich stärker beim Songwriting beteiligt - ihr Mentor Mike Batt allerdings war auch im Fall des Nachfolgers im Hintergrund tätig. Ob die Melua mit ihrer jazz-poppigen Mischung, der eine musikalische Nähe zu Norah Jones nach wie vor nicht abgesprochen werden kann, jedoch ein noch größeres Publikum als bisher wird erreichen können, bleibt abzuwarten. Dagegen spricht zur Zeit allerdings nur wenig.


Tracy Chapman - Where You Live



Wow, 17 Jahre ist es nun schon her, seit Tracy Chapman ihren Durchbruch mit dem Auftritt bei dem Nelson-Mandela-Geburtstags-Konzert schaffte. 35 Millionen verkaufte Tonträger und vier Grammies später veröffentlicht die 41-Jährige nun mit "Where You Live" ihr siebtes Studioalbum.

Und mit "Change" geht es auch gleich gut los. Bereits der Opener weiß mit den typischen Chapman-Qualitäten überzeugen: Hervorragendes Songwriting, gepaart mit dezenter Instrumentierung (hier und bei zwei weiteren Songs am Bass Flea von den Red Hot Chili Peppers) und der tollen Stimme Chapmans. So geht es dann auch zumeist weiter, an dieser Stelle seien von den insgesamt elf Stücken mit einer Gesamtlaufzeit von knapp 47 Minuten insbesondere "3.000 Miles", "America", "Before Easter" und das Schlussstück "Be And Be Not Afraid" hervorgehoben. Chapman ist es nach all den Jahren erneut gelungen, ein in sich geschlossenes, wohl wieder als "zeitlos" zu bezeichnendes Album auf den Markt zu bringen.

Schön, dass sich die Welt manchmal nur ganz langsam dreht!


Sheryl Crow - Wildflower



"Für dieses Album hatte ich mir vorgenommen, viel mehr von mir preiszugeben", erzählt Sheryl Crow. "Und ich hatte nicht einmal ein banges Gefühl dabei. Mir war klar, dass es bei dieser Platte nicht mehr darum gehen kann, erfolgreiche Singles auf ein Album zu bannen - stattdessen wollte ich ein Album machen, das erwachsen klingt und genau die Themen anspricht, die eine Vierzigjährige wirklich beschäftigen."

Na, ob ich wohl schon erwachsen genug für "Wildflower" bin? Die elf Stücke (plus Bonus-Titel-Track in einer Akustik-Version) zumindest gefallen bereits beim ersten Durchlauf und dies ändert sich auch nach mehrmaligem Hören nicht. Vielmehr stellt sich ein behaglich wohliges Gefühl der Unaufgeregtheit ein. Crow ist mit "Wildflower" ein rundum gelungenes Album geglückt, das sämtliche Vorzüge der neunfachen Grammy-Gewinnerin in 50 Minuten vereint: Hervorragendes Songwriting, viele melancholische Momente und eingängige Melodien, gepaart mit ihrer ausdruckstarken Stimme. Dabei sind viele Tracks zusätzlich mit Streichern verfeinert worden, welche die schönen Momente des Albums nur noch unterstreichen. Natürlich wir auch mal gerockt ("Live It Up"), im Großen und Ganzen jedoch überwiegen die ruhigeren Tracks auf "Wildflower".

Wenn es tatsächlich bedeutet, dass ich, weil ich "Wildflower" sehr mag, erwachsen bin, freue ich mich von nun an auf's Älterwerden...


Saint Thomas - Children Of The New Brigade



Dass Thomas Hansen mit Bob Dylan und Neil Young aufgewachsen sein dürfte, war ja schon auf den vier vorausgegangenen Alben des Norwegers herauszuhören. Auch das 48-minütige Fünftwerk des 29-Jährigen, der sich nun Saint Thomas nennt, besticht wieder mit feinstem Songwriting. Mal luftig leicht ("Morning Dancer", "The Long Goodnights", "Children Of The New Brigade"), mal Kjellvanderesque schwermütig ("Last Word", "Instrumental Sound", "Dream On") kommen die 13 Stücke daher. Die Presseinfo bemüht das viel zu häufig bemühte Wort "zeitlos", liegt damit aber ausnahmsweise mal nicht falsch. "Children Of The New Brigade" hätte auch schon vor oder in fünf Jahren erscheinen können. Hervorragend geklungen hätte es auch dann. Schön, sehr sogar. Auch, dass "Morning Dancer" zusätzich als Video (für PC & Mac) mit auf die CD gepackt wurde...

Anspieltipps: "Morning Dancer" (04), "Book On Hold" (13), "Dream On" (08)


Ray Charles - Genius & Friends



Die Qualitäten des von Frank Sinatra passenderweise als "Soul Genius" bezeichneten Ray Charles sind unbestritten. Auch liest sich die Liste der auf "Genius & Friends" vertretenen Duettpartner mit Mary J. Blige, George Michael, Alicia Keys, Chris Isaak, Diana Ross, Willie Nelson, John Legend u.v.m. durchaus hübsch und dennoch bleibt die CD hinter den Erwartungen zurück. Ob dies nun darauf zurückzuführen ist, dass die Aufnahmen bereits aus den Jahren 1997 und 1998 stammen und dass die Gastgesänge größtenteils posthum eingespielt wurden, oder darauf, dass ein zweiter Teil eines solchen Erfolgskonzepts (nach "Genius Loves Company") generell ein kleines bisschen nach Leichenfledderei riecht, vermag ich nicht eindeutig zu beurteilen. Natürlich finden sich unter den 14 auf "Genius & Friends" vertretenen Stücken durchaus einige Perlen wieder - etwa das live mit Willie Nelson eingespielte "Busted", "It All Goes By So Fast" mit Mary J. Blige oder "Blame It On The Sun" mit George Michael - dennoch bleibt leider auch nach mehrmaligem Genuss der knapp 58 Minuten ein etwas fader Beigeschmack der Langeweile im Ohr haften. Eine eindeutige Kaufempfehlung kann ich daher nicht aussprechen, Komplettisten hingegen können natürlich auch auf "Genius & Friends" nicht verzichten.


Emiliana Torrini ::: 26.09.2005, Berlin - Passionskirche

Mitten in Kreuzberg steht die 1905 bis 1908 errichtete Passionskirche. Ein wirklich schöner Ort für ein Konzert der Isländerin Emiliana Torrini.



Schön war's!

Um 20:00 soll's losgehen, Kenner der Kirche allerdings scheint es genügend zu geben und so hat sich bereits um 19:00 Uhr eine lange Schlange vor dem Eingang gebildet. Dass ich mich - anstatt mich ordentlich hinten anzustellen - lieber zum Mexikaner gesetzt und schnell noch etwas gegessen habe, sollte sich sehr bald als großer Fehler herausstellen: Um kurz nach Acht sind sämtliche Bänke mit direktem Blick auf die Bühne natürlich belegt. Ich finde Platz am rechten Rand und erfreue mich an den äußerst humanen Getränkepreisen.

Nicht ganz so erfreulich dann der Autritt von Adem [klick] im Vorprogramm, welcher vom Publikum mit dezentem Höflichkeitsapplaus bedacht wird. Um 21:00 Uhr geht's dann endlich los. Torrini, ein weißes Kleid und die Haare hochgesteckt tragend, betritt mit ihrer dreiköpfigen Band die Bühne, die mal Altarraum war. Und entschuldigt sich erst einmal auf Deutsch für ihre Unpünktlichkeit: "Ich habe im Bus zu lange gebügelt". Derartige Dialoge mit dem Publikum werden über das gesamte Konzert hinweg fortgeführt. Immer wieder überrascht die Isländerin mit kleinen, charmanten Anekdoten. Musikalisch steht ihr aktuelles Werk, "Fisherman's Woman" im Vordergrund. Hervorragend instrumentiert schleichen sich immer wieder hochbehackte Damen auf Zehenspitzen durch den Raum, um die wirklich intime Atmosphäre nicht mit einem etwaigen Klackern zu stören. Gelegentlich kippen Flaschen laut scheppernd auf den Fußboden, was Torrini schließlich kichernd mit "ihr seid so besoffen" kommentiert. 16 Stücke lang herrscht gebannte Ruhe, dann ist es fast halb Elf und die Vier verschwinden kurzzeitig von der Bühne. Der zu Recht heftige Applaus bewegt die Musiker noch zu einer zwei Stücke umfassenden Zugabe: Mit "Today Has Been OK" und einer wunderschönen Version vom mir bislang nur von Shirley Bassey bekannten "If You Go Away" beschließt die 28-jährige Isländerin dann diesen wirklich heraus ragenden Konzert-Abend.

Am Glanz der Augen der übrigen Besucher fühle ich mich bestätigt: Schön war's - sehr sogar!